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Glücklich ist, wer das Eis fast im Gesicht hat

Christian Hackl Janine Flock rast mit mehr als 110 km/h abwärts.
23. Jänner 2014, 18:49

Janine Flock zählt im Skeleton zu Medaillenanwärterinnen in Sotschi. Am Freitag wurde sie Europameisterin

Wie hat Janine mit dem Skeleton- Sp0rt begonnen?

Innsbruck/Wien – Mama Flock hat sich durchgesetzt. Es war im Jahr 2004. Tochter Janine hatte Angst, es war ein klassisches Muffensausen. “Du fährst da runter”, hat die Mutter bestimmt gesagt. Ein paar Monate davor hatte der Hauptschullehrer seine Schülerin ganz harmlos gefragt, ob sie nicht einmal Skeleton probieren möchte. Sie wollte. Die paar Kilometer zum Eiskanal in Innsbruck-Igls sind kein Wandertag. Janine, damals 14 Jahre alt, legte sich überhaupt nicht feig auf den Schlitten, bäuchlings, mit dem Kopf voran – und abwärts. Da es ihr getaugt hat, bettelte sie darum, dem Verein BSC Stubai beitreten zu dürfen. Sie durfte.

Wieder vergingen Monate, der Winter suchte Tirol heim, die Bahn wurde aufgeweckt. Janine wurde daran erinnert, Vereinsmitglied zu sein. “Beim zweiten Mal hatte ich Angst.” Die Mama machte Druck, sagte ungefähr: “Dinge, die man beginnt, muss man durchziehen.” Janine stieß sich widerwillig ab. Und es hat ihr noch mehr getaugt.

Faszination Skeleton

2014 ist die mittlerweile 24-jährige Tirolerin in der Weltspitze angekommen, im Weltcup war sie schon Zweite und Dritte. Warum diese Leistungsexplosion? “Weil ich meinen Weg gegangen bin, hart gearbeitet und nie lockergelassen habe. Die Vorbereitung war perfekt.” Flock ist noch nie gerodelt, obwohl dieser Sport in Österreich ein bisserl populärer und traditioneller ist. “Es hat mich nie interessiert, rücklings auf dem Schlitten zu liegen. Vermutlich will ich sehen, was auf mich zukommt.” Skeleton sei faszinierend. “Die Nähe des Kopfes zum Eis, das Beherrschen des Schlittens und die Geschwindigkeit machen den Reiz aus. Ich empfinde Glück, wenn ich eine Bahn runterrase.” Angst sei kein Thema mehr. “Mir ist nie etwas passiert. Von ein paar Prellungen und Hautabschürfungen abgesehen.”

Flock wurde in Hall geboren, sie lebt in Rum, das liegt praktisch in Innsbruck. Liiert ist sie mit Matthias Guggenberger. Die beiden haben ein großes gemeinsames Interesse, er fährt auch Skeleton, ist ebenfalls für die Olympischen Spiele qualifiziert. Flock ist ausgebildete Bürokauffrau, als Spitzensportlerin ist sie Zeitsoldatin, irgendwann möchte sie die Matura nachholen. “Ich mache mir keinen Stress, ich lebe in der Gegenwart.” Natürlich sei Skeleton eine Randsportart, Sponsoren prügeln sich kaum um freie Plätze auf dem Rennanzug. “Es ist viel Idealismus dabei.” Der österreichische Bob- und Skeletonverband sei sehr bemüht. “Die Lage wird besser und professioneller.”

Im Sommer wurde in Innsbruck eine Doppelgarage angemietet, sie wird als Bastelstube verwendet. “Wir schrauben selbst, es ist sehr spannend, sich mit dem Material zu beschäftigen.” Ein Schlitten kostet 4000 Euro aufwärts, Flock hat zwei.

In Sotschi hat die Tirolerin durchaus Medaillenchancen, die größte Konkurrenz kommt aus England, Elizabeth Yarnold ist die Top-Favoritin. Die Stärke Englands sei kein Zufall. “Da Sportarten wie Skifahren, Skispringen oder Biathlon wegfallen, haben sie sich auf Skeleton konzentriert. Sie haben gute Auswahlkriterien und trainieren dauernd in Lillehammer.” Janine Flock macht sich keinen Druck, lässt die Spiele auf sich zukommen. “Es sind ja meine ersten. Warum soll ich mir über das Ungewisse den Kopf zerbrechen?” Im Weltcup werden nur zwei Läufe gefahren, in Sotschi sind es vier. “Keine Ahnung, ob das gut für mich ist. Die Bahn ist aber toll.” Der Mama sei sie dankbar für den Weitblick. “Andere Mütter hätten gesagt, fahr besser nicht runter.” (Christian Hackl, DER STANDARD, 24.1.2014)

 



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